Maria Clara stapft angestrengt den Hügel hoch. Zwischen Steinen, Matsch und Müll setzt sie ihre kleinen Füßchen in den bunten Flipflops. Jeden Wochentag macht die Zweijährige um kurz vor sieben an der Hand ihrer Mutter den Aufstieg.
Denn dann geht es in die Kita. Sie liegt nicht weit weg von ihrem Haus, aber der große Hügel ist eine enorme Hürde für die Kleine. Viele Kinder steigen zu dieser Zeit den Hügel hinauf, an der Hand ihrer Eltern oder älteren Geschwister. Die, die niemanden haben, der sie bringt, können nicht zur Kita kommen – der Aufstieg ist zu beschwerlich und zu gefährlich. Nicht nur wegen der Rutschgefahr.
Die Kita Pintinho Dourado (Goldenes Küken) liegt im Complexo 18, einer Favela im Norden Rio de Janeiros, weit hinter dem Maracanã. Hier werden 40 Kinder zwischen einem halben Jahr und 4 Jahren täglich betreut. Sie bekommen regelmäßige Mahlzeiten, Aktivitäten und vor allem eine sichere Umgebung. Denn der Complexo 18 ist gefährlich. Es ist keine befriedete Gegend, hier liefern sich Drogengangs auch schon einmal Schusswechsel. Die Einschusslöcher an der Hauswand der Kita sind die schrecklichen Zeugen. Genauso wie die Kinder. Wenn es zu einer Schießerei kommt, verstecken sich die Kleinen im Inneren der Kita in der Vorratskammer – das ist der sicherste Ort des Gebäudes.
Maria Claras junges Leben ist schon geprägt von dieser alltäglichen Gewalt. Ihr Vater, der in das Drogengeschäft verwickelt war, wurde vor ein paar Monaten ermordet. Sein Körper wurde weggeschafft, weswegen die Familie keine staatliche Hilfe erhält – sie können nicht beweisen, dass er wirklich gestorben ist. Die 30-Jährige Elisangela, Maria Claras Mutter, muss mit ihren drei Kindern nun alleine über die Runden kommen. Ohne Arbeit. Es hilft ihr, dass die Kleinste durch die Kita tagsüber versorgt ist, da kann sie nun auf Jobsuche gehen. Die Kita Pintinho Dourado ist die einzige Kita in der Gegend, Elisangela hat Glück, dass sie beinahe vor ihrer Haustür liegt.
Die Kita ist eines der Projekte des Vereins „Kinder in Rio“ (www.kinderinrio.de). Die brasilianische Geschäftsführerin Fernanda Milanez erklärt, warum die Kita so wichtig ist: „Hier wird die Basis für das Leben der Kinder gelegt. Sie werden hier an feste Strukturen herangeführt und erhalten einen Zugang zu Bildung. Das ist der Schlüssel für ein besseres Leben.“ In den 23 Jahren seit dem es die Kita gibt, habe sie die Gegen etwas verändern können, denn einige der ehemaligen Kita-Kinder haben sich Schule und eventuell Studium gewidmet statt den Drogengangs.
Negativ sieht Fernanda Milanez allerdings die Entwicklung der Gewalt in Rio de Janeiro und besonders im Complexo 18. „Wegen der Großevents WM und Olympische Spiele, wird die Polizei hier abgezogen und als Verstärkung ins Zentrum geschickt. Dort fliehen die Drogengangs – und kommen hier hin“, erzählt sie. „Die Gewalt hier wird schlimmer und das Vertrauen der Menschen untereinander schlechter.“
Die Kampagne „Rio bewegt. Uns.“ setzt sich dafür ein, dass alle Menschen in Rio von den Olympischen Spielen profitieren – besonders die Armen. Im Rahmen der Kampagne werden verschiedene soziale Projekte unterstützt, wie die Kita Pintinho Dourado im Complexo 18. Eine Delegation von Vertretern der Aktionspartner ist gerade in Rio und besucht eine Auswahl dieser Projekte. Der Verein „Kinder in Rio“ ist Mitglied der Kampagne. Mehr über die Kampagne erfahren Sie hier: www.rio-bewegt-uns.de
Text: Christina Weise
Fotos: Martin Steffen
Der Beitrag Kinderalltag in Rio: Maria Clara aus „Complexo 18“ erschien zuerst auf Adveniat Blog.