Bischof Gilberto Alfredo Vizcarra, der Ende dieses Jahres als Aktionsgast zu Adveniat nach Deutschland kommt, will uns heute „sein Dorf“ zeigen. Im Mai letzten Jahres lebte er hier für vier Wochen unter den Awajún-Indigenen. „Ich wollte wissen, wie sich ihr Alltag anfühlt“, erzählt er uns. „Denn wie kann ich ihr Bischof sein, ohne selber am eigenen Leib erfahren zu haben, was ihre Probleme sind.“
Der in Lima geborene Bischof ist in seinem Leben weit in der Welt herumgekommen. Vier Jahre lang lebte er im brasilianischen Belo Horizonte, bevor es ihn in die Wüstenregionen des Tschad verschlug. Hier lebte und arbeitete er 17 Jahre lang, bevor er nach Jaén berufen wurde. Eine gute Schule sei das gewesen, sagt er. Viele Erfahrungen aus Afrika könne er hier nun anwenden, meint er. Die wichtigste: den Menschen zuzuhören.
Als wir in dem Dorf Bajo Pachacusa ankommen, wird erst einmal eine Generalversammlung der Bewohner einberufen. Man will wissen, was wir von den Indigenen wollen. Der Bischof erklärt unsere Mission, die weißen Journalisten wollen Fotos und Interviews machen und sehen, wie die Awajún leben, sagt er. Man beobachtet uns aus sicherer Entfernung. Weiße Menschen brachten oft schlechte Nachrichten und Unglück über die Indigenen, man ist skeptisch.
Verschmutztes Trinkwasser und mangelhafte Gesundheitsvorsorge
Man stellt sich vor, einer nach dem anderen. Wir auch. Dann nutzen die Indigenen die Anwesenheit des Bischofs, um ihre Alltagsprobleme darzulegen. Das Trinkwasser sei verschmutzt, es mangelt an Gesundheitsvorsorge. Das nächste Krankenhaus ist in Santa Maria de Nieva, eine halbe Bootsstunde den Fluss hinauf.
Ältere Indigene beschweren sich über die Dorfjugend. Sie sei undiszipliniert, nicht mehr so folgsam wie früher. Die moderne Welt sei Schuld, Massenmedien, der Einfluss der nahen Stadt. Wer in den Fünziger Jahren in der Schule der Jesuiten Schüler war, habe eine viel bessere Bildung erhalten als die Jugendlichen, die heute in die schlecht ausgerüsteten öffentlichen Schulen gehen, hören wir.
„Wir können euch helfen, eure Rechte einzuklagen“
Geduldig hört der Bischof zu. Dann ruft er die Dorfgemeinschaft auf, selber aktiv zu werden. „Schreibt auf, was euch bedrückt, und schickt es an die Lokalpolitiker. Der peruanische Staat hat die Pflicht, sich um euch zu kümmern. Die Kirche kann nicht die Aufgaben des Staates übernehmen, wir können euch aber helfen, diese vom Staat einzuklagen.“ Fein säuberlich schreibt einer der Indigenen den Diskurs mit.
Als wir uns wieder verabschieden, müssen wir noch das Protokoll des Zusammentreffens unterzeichnen. Ordnung muss sein. Vielleicht haben die Indigenen im Umgang mit den weißen Menschen auch gelernt, dass man besser alles schriftlich festhält. Wir sind beeindruckt. Dann bitten uns noch die Jugendlichen des Dorfes, ein Selfie mit uns zu machen. Es ist das erste Mal auf all unseren Reisen, dass „zurückfotografiert“ wird. Die moderne Welt hält auch hier langsam aber sicher Einzug.
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