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Mexiko vor Trumps Amtsantritt – Touristenmetropole Cancún mit zwei Gesichtern

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Angst vor dem neuen US-Präsidenten und Sozialprotesten begegnen dem Mexiko-Referent des Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat Reiner Wilhelm vor Ort

Der Gasolinazos, also die Erhöhung des Benzinpreises um 20 Prozent, die Proteste gegen die Regierung und die Angst vor Donald Trump – das sind die bestimmenden Schlagzeilen der aktuellen Mexiko-Berichterstattung. Doch wer im mexikanischen Cancún landet erlebt das Tourismusziel Nummer 1 der Nordamerikaner. Cancún ist weltbekannt für seine schönen Strände und das türkisfarbene Meer, das Ferienparadies schlechthin.

Doch die Politik eines Donald Trump wird Auswirkungen auf die Menschen in Mexiko haben – auch in Cancún. Denn die Stadt ist auf die us-amerikanischen Touristen angewiesen ist. „Ich habe früher mich nie um Politik gekümmert“, berichtet eine meiner Begleiterinnen bei meiner Ankunft. Das hat sich nach der Wahl von Trump grundlegend geändert. Peñas Nieto und die PRI haben abgewirtschaftet. Aber wer und was kommt nach ihm? Der Populist López Obrador hat wieder Chancen. Ihn gilt es zu verhindern. Seine Präsidentschaft für Mexiko wäre fatal, so die Mehrheit meiner Gesprächspartner.

Cancún wurde vor gut 50 Jahren auf die Idee hin gegründet, für die Bewohner und den Staat Einkommen zu schaffen. Die Stadt hat daher keine historischen Gebäude. Die Touristen leben in Hotels am Strand, wo sie alles bekommen. Es gibt Bettenburgen mit 3.000 Zimmern aller Kategorien und Preisklassen. Ein Gutteil der Strände ist für die Einheimischen gesperrt. Den Touristen ist auch der explosionsartige Anstieg der Einwohnerzahlen von Cancún zu verdanken. Eine organisierte Stadtplanung ist längst nicht mehr möglich. Heute leben in der Stadt etwa eine Million Menschen. Und es kommen immer mehr.

Die Stadt ist zweigeteilt: eine gute Zahl der Bewohner lebt in kleinen Wohnungen, die sie von Wohnungsbauunternehmen für teures Geld kaufen können. Dies scheint auch weiter ein gutes Geschäft zu sein, denn überall entstehen neue Condominios (abgeschlossen Wohnsiedlungen). Hier gibt es Strom und Wasser, genauso wie ein funktionierendes Abwassersystem. Manchmal trennt die Straße Welten: So leben auf der anderen Seite Menschen, denen es an allem fehlt: Ihre Straßen sind Lehmwege, die sich nach jedem Regenfall in Schlammpisten verwandeln; Strom wird illegal abgezweigt; einen Wasseranschluss oder gar einen Kanal gibt es vielfach nicht.

Die andere Seite von Cancún: Slums und Wellblechhütten. Foto: Robbie Grubbs, CC BY-NC-ND 2.0

Die andere Seite von Cancún: Slums und Wellblechhütten. Foto: Robbie Grubbs, CC BY-NC-ND 2.0

Ich habe zwei dieser Stadtrandbezirke besucht: Prostitution, Gewalt und Kriminalität bestimmen den Alltag der Menschen. Aids ist ein großes Problem. Die Prälatur Cancún-Chutumal hat einige Sozialwerke aufgebaut, um diesen Menschen zu helfen und die Not zu lindern. Ziel dieser Arbeit: Den armen, kranken und bedürftigen Menschen am Rande der Gesellschaft ihre Würde wiedergeben. In dem Projekt „La Ciudad de la Alegría“ („Stadt der Freude“) finden sich ein Krankenhaus für HIV-Infizierte und ein Hospiz für Tuberkulose- und Aidskranke, die dorthin zum Sterben kommen. Auf dem Gelände gibt es auch ein Altenheim für Menschen ohne Familien, ein Heim für Schwangere und junge Mütter, die eigentlich abtreiben wollten, eine Schule für Kinder, deren Familien sich eine gute Ausbildung nicht leisten können, und eine Versorgungsstation ähnlich einer Tafel, die Lebensmittel und Kleidung an Bedürftige verteilt. Das Projekt finanziert sich aus Spenden vor Ort.

Das ist das andere Gesicht der Touristenstadt Cancún, ein Gesicht, das unbekannt ist. Denn in die Randbezirke verläuft sich kaum ein ausländischer Gast.

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Text: Reiner Wilhelm, Länderreferent für Mexiko beim Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat

Fotos:
Proteste gegen die Benzinpreiserhöhung in Mexiko. Foto: Protoplasmakid, CC BY-SA 2.0
Touristenmetropole Cancun. Foto: Cancun Strand Luftbild, dronepicr, CC BY 2.0
Die andere Seite von Cancún: Slums und Wellblechhütten. Foto: Robbie Grubbs, CC BY-NC-ND 2.0

 

Der Beitrag Mexiko vor Trumps Amtsantritt – Touristenmetropole Cancún mit zwei Gesichtern erschien zuerst auf Adveniat Blog.


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