Ein Auto. Geparkt vor den Buchregalen. Und es stinkt durchdringend nach Benzin. Kein Wunder, meint Padre Jorge Luis Gil Orta und öffnet die Tür des verbeulten Autos, das wohl mal ein VW-Neuwagen, Modell obere Mittelklasse gewesen sein muss.
Im Innenraum fehlen die hinteren Sitzbänke, der Teppichboden, die Abdeckung zum Kofferraum. Statt dessen steht dort ein Plastikkanister, aus dem zwei Schläuche ragen. „Der provisorische Tank“, meint Padre Jorge und hält sich andeutungsweise die Nase zu. „Nicht ganz dicht, daher der Geruch.“
Jorge Luis ist seit einigen Monaten Priester in der Landpfarrei Güines, rund eineinhalb Autostunde von Havanna entfernt. Zum Amtsantritt hat er ein altes Auto geschenkt bekommen – für den neuen Pfarrer das wohl wertvollste Instrument, um seine neue Aufgabe bewältigen zu können. Denn zur Pfarrei gehören neben der mit Adveniat-Hilfe aus Deutschland frisch renovierten Kirche auch drei „Casa de Mision“, Häuser, in denen Gottesdienst gefeiert wird. Ohne Auto kommt man da kaum hin. In die Hauptstadt Havanna gibt es zwei oder drei Mal am Tag einen Bus, auf den man stundenlang warten muss, weil nie klar ist, ob der Fahrplan eingehalten wird.
Meister im Restaurieren und Improvisieren
Daher freut sich Padre Jorge Luis über sein eigenes Fahrzeug, das er, weil eine Garage fehlt, kurzerhand im Haus eingeparkt hat, die Tür war gerade groß genug. Jetzt gilt es, den Wagen halbwegs so fahrbereit zu machen, dass es der junge Pfarrer auch ohne Gesundheitsgefahren und Wäscheklammer auf der Nase bis ins nächste Dorf schafft. Dass dies gelingt, ist keine Frage: Die kubanischen Automechaniker sind Meister im Restaurieren alter Autos – und im Improvisieren dabei. Denn die kubanische Regierung erhebt auf die Einfuhr neuer Wagen wie auch auf Ersatzteile eine immens hohe Importsteuer. Als Folge prägen heute immer noch alte US-amerikanische Wagen der 1950er Jahre das Straßenbild.
Padre Jorge Luis hat die beiden letzten Jahre in Rom studiert und soll künftig auch Kurse am Priesterseminar von Havanna geben. Voraussetzung dafür ist, dass er mit seinem Wagen dorthin gelangt. „In Rom wäre das unvorstellbar, aber hier sind wir in Kuba“, entschuldigt er sich.
Aus den 1950er Jahren stammt auch die Uhr im Glockenturm der Pfarrkirche von Güines. Sie kam 1958 aus deutscher Produktion nach Kuba. Der Diakon der Gemeinde musste bis 2014 täglich den Turm ersteigen, um die schweren Gewichte nach oben zu ziehen, die die Uhr antrieben. Erst seit der Renovierung der Kirche wird die Uhr mit Strom betrieben. Seitdem leuchtet die Uhr auch nachts. „Die Kirche ist das Wahrzeichen unserer Stadt“, meint Padre Jorge Luis. Sie sei das höchste Bauwerk und von weitem zu sehen. Und zu jeder vollen Stunde geben die Glocken die Uhrzeit kund. Deutsche Handwerkskunst, mitten in Kuba.
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