Olga kommt manchmal zum Essen. Sie hat ihren grünen Koffer neben sich stehen – ihre ganze Habe – sie lebt auf der Straße. Und ist eine unter vielen, die in der Umgebung der Kirche San Cayetano leben und Hilfe suchen. Manchmal brauchen sie Hilfe und genauso oft helfen sie auch uns.
Ich trinke einen Mate mit Olga. Sie fragt mich nach mir: Ich bin 18 Jahre alt und habe im letzten Sommer in Deutschland die Schule beendet. Um ein Stück über den Horizont zu schauen, zu lernen und einen Dienst zu leisten, bin ich jetzt für ein Jahr in Buenos Aires – und darf hier im Sozialzentrum San Cayetano und der Kirche mitarbeiten.
Den Mittelpunkt bildet die Wallfahrtskirche San Cayetano, zu der Pilger kommen, um den Heiligen um Brot und Arbeit zu bitten. Kajetans Patronatsfest liegt auf dem 7. August, seinem Todestag, aber wir feiern ihn monatlich. Und so wartet vor der Heiligenfigur an jedem 7. eines Monats eine Menschenschlange, die sich aus der Kirche, über den Vorplatz bis zur nächsten Querstraße zieht. Stündlich wird heilige Messe gefeiert, im Garten finden Glaubensstunden statt, dazwischen Beichtgelegenheiten und Segnungen.
Die Pilger bringen neben ihren Gebeten Kleider- und Lebensmittelspenden mit. An der Kirche selbst befindet sich ein Spendenzentrum, wo wir Winter- oder Sommerkleidung für Frauen, Männer oder Kinder und Reis, Linsen, Salz, Zucker, Nudeln, Mate sortieren. Und schließlich werden die großen neu gepackten Säcke von Hilfsprojekten aus der Umgebung abgeholt. Der Hauptabnehmer aber ist San Cayetano selbst mit seinem Servicio Social: Hier gibt es Duschen, Kleiderkammer, Suppenküche, Arbeitsvermittlung, Sozialarbeiter, Lebensmittel- und Medikamentenausgabe. Ich bewege mich vor allem im Comedor, der Suppenküche, wo täglich ein warmes Abendbrot für etwa 200 Personen ausgegeben wird.
Doch heute ist ein besonderer Tag. Karferitag. Jorge holt mich ab. Er ist der Leiter unserer Pfadfindergruppe. Gemeinsam fahren wir zum großen Kreuzweg der Stadt, um mit den Rovern und Pfadfindern einen „Servicio“ zu machen – einen Dienst für die Gemeinscgaft. In diesem Fall helfen wir helfen bei der Gestaltung des Weges. Der Kreuzweg findet am Karfreitag im Zentrum zwischen Parlament und Regierungsgebäude auf der Straße statt. Auf dem Platz vor dem Kongress wird eine Messe gesungen. Später begeleitet ein Chor den Menschenzug mit Musik. Vor der Menschenmenge wird eine lebensgroße Jesusfigur auf einem Wagen gezogen. Es folgen der Kardinal und einige Bischöfe mit einem Kreuz und hinterher all die Menschen mit Kerzen. Es werden drei große Kreuze mit Teelichten darauf getragen: eins von Erwachsenen, eins von Jugendlichen und ein etwas kleineres von Kindern.
An einer Straßenecke wartet eine Marienfigur, ebenfalls lebensgroß, auf einem Wagen. Sie schließt sich dem Zug an. Wir kreuzen die breiteste Straße der Welt, extra für diesen Zug abgesperrt und umgeleitet. Kurz darauf sind wir auf der Plaza de Mayo, dem Platz vor dem Regierungssitz. Zur zwölften Station zeigt ein Film auf der dort aufgebauten Leinwand den Tod Jesu am Kreuz. Zeit für uns, die Christusfigur zu wechseln. So wird von den Pfadfindern ein toter Jesus in die Kathedrale getragen, begleitet von den Schlägen eines Straßentrommlers, der gerade zufällig auf dem Bürgersteig stand und einen Priester um die Segnung seiner Trommel bat.
Dienst am Nächsten – Hilfe im Notfall
Wir helfen bei der Organisation: ordnen Menschen ein, formen Gassen für die voraus fahrenden Notfallautos, für die Wagen mit den Figuren, für den Kardinal. Und wir haben offene Augen, falls etwas passiert. Der Dienst für die Gemeinschaft ist ein wesentlicher Bestandteil des Pfadfinderseins, für uns katholische Pfadfinder vor allem für die Kirche. Wir nehmen mit den Rovern an vielen Großveranstaltungen teil und tragen ein wenig zur Organisation bei. Wir bauen auf und ab, geben Getränke aus, ordnen Menschen, begleiten und sind wachsam. Zu den grundlegensten Kenntnissen gehört daher die erste Hilfe.
Schon in einer der ersten Pfadfinderstunden, die ich besuchte, habe ich mir einen Verbandskasten gepackt. Später haben wir gelernt, Blutdruck zu messen und die Notfalltrage zu benutzen. So war es bei der großen Wallfahrt nach Lujan, der jährlichen Firmfeier, dem Weihnachtsessen im Pfarrgarten, Prozessionen durch die Stadt, bei einem religiösen Einkehrtag, dem monatlichen Patronatsfest, einem Jugendtag, oder eben dem Kreuzweg.
Nachts um halb zwei sind wir wieder zuhause. Ich gehe an der geschlossenen Kirche vorbei. Pablo schläft auf dem Bürgersteig. Morgen früh wird sie wieder geöffnet werden, dann wird wieder fast stündlich die Messe gelesen werden, ich werde wieder in der Suppenküche Kartoffeln schälen und dann wird auch Olga wieder um heißes Wasser für den Mate bitten.
Marta Nahlik ist Freiwillige von Adveniat und der DPSG. Ihr Soziales Jahre verbringt sie in Buenos Aires in Argentinien. Sie arbeitet in der Pfarrei San Cayetano in der Sozialpastoral. Die potenziellen Einsatzfelder sind vielfältig: in der Volksküche, zu der täglich 200 Menschen kommen, beim Jobtraining, in der Apotheke, beim Sortieren und der Ausgabe von Kleidung.
Der Beitrag Argentinien: Dienst am Nächsten ganz konkret erschien zuerst auf Adveniat Blog.