Tische aufgestellt, Stühle angeordnet, für jeden einen Becher auf den Tisch und fertig ist das Klassenzimmer. Eine kleine Verschnaufpause und schon wird gerufen: „Primer Grado“ und alle Schülerinnen und Schüler kommen in den Raum gestürmt. „Was gibt es heute zum Essen?“ „Señor, ich hab heute ganz viele Hausaufgaben“, „Darf ich die Teller verteilen?“. Ein ganz normaler Beginn im Hogar „Nuestros Corazones“ doch jeder Tag ist wieder ein neues Abenteuer.
„El Hogar“
Ich arbeite im Hogar „Nuestros Corazones“ in Flores, der Hauptstadt Argentiniens. Auf den ersten Blick könnte man denken, dass es eine normale Hausaufgabenbetreuung ist. Die Kinder essen, spielen und machen ihre Hausaufgaben. Dabei sind die Kinder immer nach Altersstufe auf vier Zimmer aufgeteilt. Sehr viele Kinder kommen ins Hogar, so dass immer ungefähr 20 Kinder mit einer Erzieherin im Zimmer sind. Da alle Hilfe bei den Hausaufgaben brauchen sind das ganz schön viele. Auch ich bin schon an meine Grenzen der Geduld gekommen und auch an meine Wissensgrenzen. Denn die Argentinische Geschichte hatte ich leider nicht in der Schule und immer noch fehlen mir viele Wörter. Deswegen fühle ich mich selber auch fast wie in der Schule, denn ich lerne mit den Kindern zusammen. Doch es ist mehr, als nur eine normale Hausaufgabenbetreuung. Denn die Kinder wohnen nicht in normalen Häusern unter normalen Umständen. Sie wohnen alle in der Villa. Doch was ist eine Villa?
Die Villa
Eine Villa ist ein Bereich, der keinem gehört und auf dem Leute angefangen haben Häuser zu bauen. Diese Menschen kamen oft aus anderen Ländern, wie Bolivien und hatten nicht viele Sachen. Die Häuser sind einfache viereckige Häuser, die aber mit der Zeit immer weiter gewachsen sind und höher wurden. So sehen die Häuser fast wie aufeinander gestapelte Bauklötze aus. Das Leben in einer Villa ist etwas anders, als das Leben außerhalb. Denn in der Villa gibt es von Kleidung bis Obst, vom Zahnarzt bis zur Polizeistation alles. In der Villa kennen sich die Leute und wissen immer was dort passiert. Das Leben in einer Villa ist nicht einfach. Die Stromversorgung ist nicht auf so viele Häuser ausgelegt, weswegen oft der Strom ausgeschaltet wird. Die Menschen leben dicht aneinander und die Straßen sind so eng, dass kein Auto und erst recht kein Rettungswagen durch passen. Leider passiert viel in der Villa und es gibt Probleme mit Drogen, Trunkenheit und Gewalt. Aber es heißt immer: die Leute in der Villa beschützen sich gegenseitig. Für alle anderen ist es aber ratsamer nicht in eine Villa zu gehen.
Die Auswirkungen
Für uns Erzieherinnen vom Hogar gelten etwas andere Regeln. Wir helfen denn Kindern aus der Villa und stehen deswegen auch unter dem Schutz der Villa. Drei der Erzieherinnen sind selber aus der Villa, da sie am Besten wissen, wie es den Kindern geht, wie sie leben und was ihnen im Alltag dort begegnet. Einmal die Woche kommen auch Psychologen vorbei, um mit einzelnen Kindern zu reden. Deswegen sind sie nicht nur im Hogar um ihre Hausaufgaben zu machen, sondern auch um Hilfe zu bekommen. Auch ich erfahre schrittweiße was den Kindern in der Villa passiert. Sie erzählen es einem nicht immer direkt, aber sie erzählen was sie zum Beispiel am Wochenende gemacht haben wo ich manches raushören kann.
Der Tag endet
Nach dem alle mit ihren Hausaufgaben fertig sind, gibt es Zeit zum Spielen, Malen oder Singen. Bei gutem Wetter können die Kinder in den Garten gehen und draußen spielen. Dabei spielen die Mädchen immer Fange und die Jungs ganz klar Fußball. Diese Zeit geht leider viel zu schnell vorbei und schon heißt es wieder: „El recreo se terminó“. Denn danach gibt es noch Merienda mit Kakao und Keksen. Danch kommen die ersten Eltern um ihre Kinder abzuholen. Noch schnell das Klassenzimmer wieder aufgeräumt und fertig ist ein Tag im Hogar „Nuestros Corazones“.
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Text und Fotos: Melanie Kalisch
Melanie Kalisch ist 19 Jahre alt und verbringt als Freiwillige der DPSG und Adveniat ein spannendes Jahr in Argentinien.
Der Beitrag Ein Tag im Hogar erschien zuerst auf Adveniat Blog.